Sonntag, 19. April 2009

die wueste lebt

salta, la bella. vielversprechend. warum also nicht einen zwischenhalt im norden von argentinien einlegen, bevor's ab in die chilenischen wueste geht?

mein zweiter 24- stunden- bustrip. hoert sich lang an, ist aber halb so schlimm, zumal die langstreckenbusse bis jetzt alle recht komfortabel waren und die zeit auch einigermassen schnell vergeht. man schafft es vielleicht sechs stunden zu schlafen und die restlichen 18 stunden verbringt man damit es zumindest zu versuchen- was bei konstanten gefuehlten dreizehn grad im bus nicht gerade leicht ist.

jedes mal, wenn ich mich in einen bus setze, muss ich an unsere "eingeengten" schweizer streckenverhaeltnisse denken und wie es fuer uns fast unvorstellbar ist, einen bus oder zug zu nehmen, wenn man ins ausland reist. denn wer faehrt schon fuenf stunden lang von zuerich nach muenchen wenn er in einer stunde mit dem flieger dort ist? hat man die schweiz erstmal verlassen, kommt sie einem nicht groesser als ein staubkorn vor. hier ist eine 24- stuendige reise fast schon ein klaks- man gewoehnt sich schneller dran als man glauben wuerde. ausserdem hat es den grossen vorteil, dass man schnell neue leute kennen lernt.

da gibt es eigentlich zwei verschiedene arten von "kennenlernen". die erste ist oft mit viel pech und sich anstrengen hoeflich zu bleiben verbunden, die zweite mit viel erleben und spass haben.

mein sitznachbar: eine ukulele und ein lennon-song (ja, genau der song..!), beide vor- und getragen von einem netten, aber etwas verwirrten.. wie soll ich's sagen?.. american hippie. aber leichtes spiel fuer mich zum glueck. als er bemerkt hat, dass ich keine gott und die welt- konversationen mit ihm pflegen wollte, hat er sich bei der naechsten WC-pause einen tetrapack (!) wein gekauft und ist dann zufrieden in seine eigene sphaeren eingetaucht. nur nicht zu verstaendnisvoll und nett sein, sonst kann man sich alles moegliche einbrocken- das hab ich seit den zwei iguassu- franzosen gelernt. und es hat funktioniert. das glueck lag diesmal auf meiner seite, bzw. es sass einen meter rechts vor mir: zwei nette, nicht aufdringliche oder auf der suche nach sich selbst deutsche. franco und juan. (oder doch frank und jan...?)

nachdem unser lieber hippie sich entschieden hatte uns zu verlassen und seinen eigenen weg zu gehen, haben wir uns zu dritt ein auto gemietet und die region jujuy rund um salta erkundet. das heisst, dass ich drei tage lang herumchauffiert wurde (wer laesst schon eine frau freiwillig ans steuer?) und mich von morgens bis abends mit und wegen franco und juan krumm gelacht habe. ich glueckliche!

die erste nacht im freien... weiss jemand, wie kalt es in der argentinischen pampa sein kann in kurzen hosen und mit einem duennen strandtuch bekleidet im auto zu uebernachten? da waermt auch der anblick des klarsten sternenhimmels nicht ums herz und die kalten fuesse. ich weiss jetzt ausserdem auch, wie fest man seinen hals in einem VW-GOL (die argentinische ausgabe des golfs) -ruecksitz in den nacken zurueckschrauben kann, bis der ganze oberkoerper taub (vor schmerzen) ist...

aber das alles hat sich gelohnt. die kulisse: kilometerlange huegellandschaften mit vertikal angeordneten verschiedenen farbabschnitten. alles wie berechnend angepinselt in allen erdtoenen.

franco und juan wollen hoch hinaus.
















und dann der hoehepunkt des tages, der eigentlich nur ein kurzer wc-stopp haette sein sollen: wir sind in purmamarca. dieses ganze doerfli ist eingebettet in solchen farbigen huegeln, inklusive dem bekanntesten unter ihnen, dem cerro de los siete colores, auf dessen suche wir uns von anfang an gamacht hatten. und wieder mal stand ich da, eine mir selbst peinliche touristin, und schoss wie wild drauf los bis die speicherkarte resignierte. alles "perfekt", wie auf der postkarte. (ich muss gestehen, dass ich angefangen habe mich nach diesem muster zu orientieren, da ich die ganze zeit schon ohne reisefuehrer unterwegs bin. ist keine schlechte methode).


ist er das, der sieben- farbige huegel? ich weiss es nicht mehr.. alle waren so umwerfend schoen!



ich wurde darin auch schnell bestaetigt, als wir in der naechsten ortschaft cachi ankamen. im reisefuehrer angepriesen als... ich weiss es gar nicht mehr... jedenfalls angepriesen und dringend empfohlen. es war frueher nachmittag, als wir von purmamarca aus in seine richtung aufbrachen. auf der strassenkarte laeppische 50 kilometer von salta entfernt. jaaaaaaaaaa, NEIN......!!!
wir waren sieben stunden unterwegs! das kommt mir doch alles brasilianisch vor!?

die serpentinenfahrt hatte es in sich- sie war das eigentliche ziel unserer reise. denn cachi selbst war nett, aber nichts spezielles.

riesiges gefaelle- dem abgrund mal links mal rechts und den wolken und dem himmel gleich ganz um sich herum naeher als der lieben mutter erde... was habe ich fuer angstatemzuege schlucken muessen! und das, obwohl mir franco auf seine sehr ehrliche und aufrichtige art vergewissert hat, dass wir nicht abstuerzen werden. nicht wegen meiner nichtigkeit, sondern weil er an seinem eigenen ueberleben mehr interesse hat als an allem anderem.
ich zittere- meine gesichtsmuskeln im gleichen eingefrorenem angstzustand wie der rest des koerpers...

irgendwie hatten wir es dann doch ueberlebt.
naechster tag. das fruehstueck die groeste freude fuer mich. (oder war ich einfach nur uebergluecklich, dass ich noch am leben war?) echtes birchermuesli. wow! so ausser mir, dass ich gleich zwei portionen bestellen musste. in so simple dinge kann man sich auf reisen neu verlieben, denn sofern man sich nicht tagtaeglich selbst versorgt, wird man auf busfahrten und in hostels mit schwammigem, fast schon durchsichtig weissem, pappe-aenlichem brot mit ein bisschen butter und marmelade abgefertigt.

des himmels grelles blau passt irgendwie nicht in diese sanften naturtoene.





fuer die stadt salta selbst blieben und leider nur wenige stunden, die ich in der einkaufsstrasse herumschlendernd vergeudet habe (einfach nur zu muede fuer noch mehr sehenswuerdigkeiten..).
beim rueckweg am abend bin ich ueber die wahrscheinlich schoenste kathedrale, die ich je gesehen habe und sehen werde, gestolpert. mir kam es vor, als haette ich sie eine halbe stunde angestarrt und fotografiert. ich weiss schon..! schon wieder! ich war aber unglaublich beeindruckt von so viel warmem pastellrosa! so sehr, dass ich am naechsten morgen um 5.30 uhr (der bus war schon um sieben uhr, deswegen die eile) hingehen wollte, um fotos bei tageslicht zu machen. mein fruehes aufstehen war vergebens, denn um 6.30 uhr war es immer noch dunkel. so eine schande!)

der abschied von salta und der region jujuy nahte schon. wir sassen im bus, freuten uns auf chile- und dann, nichtsahnend, uebertraf die busfensterlandschaft all die bisher gesehenen. jeder pesos des zu teuer bezahlten tickets war mit dem ersten augenaufschlag schon berechtigt. nicht nur farbige huegel in huelle und fuelle, sondern auch noch bunte, harmonisch wie musikstuecke komponierte taeler. die wolken und der nebel gleich nebenan. alles noch viel oppulenter und ueberwaeltigender, als man es in den tagen zuvor gesehen hatte.
was soll ich sagen? wie vorallem? mit beiden kameras bemueht, das einzufangen, was das auge sieht.















ist und bleibt eine schwierige angelegenheit, weil man solche momente immer staerker erlebt, als man sie eben nur sieht. deshalb koennen diese fotos meine beschreibungen zwar besser als worte wiedergeben, aber nie so lebendig und emotional, wie ich das in jenem augenblick empfinde.
wir waren acht stunden unterwegs, sieben davon waren "wow!". und viele davon sehr kalt. denn die klimaanlage gibt auch auf 5000 metern ueber meer ihr bestes. alle bibbern, der chauffeur hat weder einsehen noch erbarmen.
ihm reflektiert die wuestensonne wahrscheinlich direkt ins gesicht- wir sind im trockensten teil der welt angekommen. in der atacama- wueste.

unser ukulele-freund begruesst uns schon am dorfeingang. die erste fata morgana..?
nein, definitiv keine fata morgana! eher wie eine kalte dusche- wie das ganze "dorf".
beim hineinlaufen fragt man sich 'was mach ich hier?'. ich will hier nicht rein, und erst gar nicht hier bleiben!

san pedro de atacama ist bekannt als ein "funktionsort", von dem aus die meisten backpacker in richtung uyuni in bolivien aufbrechen. mit mehr als das kann es sich eigentlich auch nicht schmuecken, niemand kommt hierher weil es in irgendeiner form schoen oder interessant ist. 2000 einwohner, halb so viele hunde, reise- agenturen und internetcafes. das ist's.

ich wollte somit auch nicht laenger als zwei bis drei naechte bleiben.
der erste schock war aber schnell verdaut. ich blieb sieben naechte... einerseits aus traegheit, hauptsaechlich aber wegen der wueste selbst.

atacama. der trockenste flecken der welt. rundherum nur fuenf und sechs- tausender. liebe auf den zweiten blick. ich lauf den ganzen tag in fussballshorts, flip- flops und einer dicken winterjacke herum, mit einer tasse coca- tee in der hand, von einer agentur bis zum naechsten laedeli und zurueck zum hostel, ohne dass ich merkwuerdig auffalle. wem wuerde so viel unbekuemmertheit nicht gefallen?

die erste nacht nach der ankunft war sehr kurz. der wecker war um drei uhr gestellt, die erste tour schon um vier uhr morgens. die geysire seien im morgengrauen am aktivsten und attraktivsten. was fuer ein reinfall aber! alle enttaeuscht! das hat man sich immenser vorgestellt!
abhacken und vergessen! die tour ging weiter in ein "typisches doerfchen". den touristen soll das hiesige alltagsleben nahe gebracht werden. wir sind gespannt, denn langweiliger als die geysire kann es wohl nicht werden.

dann ploetzlich: eine oase aus dem nichts heraus. einfach so! in einem tal. alles gruen. ein fluss. rundum alles karg. die wolken haengen ueber den huegelspitzen. fast in reichweite. der schatten ueberdeckt die halbe szenerie. die lamas weiden friedlich. alles so surreal.
elizabet im wunderland! ist das jetzt die erste fata morgana?

die "puritimi"- baeder. die wolke zieht ein paar wenige meter ueber dieser oase einen kalten schatten.

im dorf angekommen. hmm..., wo ist denn das dorf? ach ja, die vier haeuser und das baño público (oeffentliches wc). und das holzkreuz am eingang zum dorf.
ok wir haben's geschnallt... der tourismus ist offensichtlich die einzige einnahmequelle eines jeden 20- seelen- doerfchens hier in der wueste und deshalb halten alle tour-busse obligatorisch in ihnen. obwohl es hier rein gar nichts zu sehen gibt.
wir bestaunen also die paar lehmsteine, das viele sand rundherum und essen das, was wir gerade auf seinen allen vieren grasend fotografiert haben. delizioes! so zart! sie schmecken so umwerfend wie sie aussehen!
die geysire sind schon lang vergessen, hier gibt es lamas und wolken- beide zum greifen nah.

eine wolken- fahrt auf irdischen wegen.









am mitttag waren wir wieder im hostel. erst mittag, aber schon ein ganzer tag hinter uns. an der reception steht der arme kerl und offeriert uns einen weiteren ausflug zum schnaeppchenpreis an, weil er sich bei einem kunden um die uhrzeit verplappert hatte, dieser wiederum zu spaet erschienen war und deshalb anspruch auf eine privattour hat. unser receptionist musste das alles aus eigener tasche zahlen, weshalb er bemitleidenswert ueberall rumfragte, ob noch jemand mitkommen wuerde.

in dieser stille liegt mehr als nur magie und zauber.









zwei stunden spaeter sass ich also schon wieder in einem 4x4. ab zu den lagunas altiplánicas. weitere fuenf stunden staunen. die fahrt war wie ein wettrennen mit den wolken, die man gleich ueber dem kopf oder links und rechts vom jeep zu fuehlen glaubte. ich kannte wolken bis dahin nur als regenbringer, aber hier auf ueber 4300 metern ueber meer, wo es keine baeume oder andere lebendige und landschaftspraegende objekte gibt, hauchen sie der wueste alle schoenheit und surrealitaet ein.
es ist wie bei "malen nach zahlen". so perfekt sehen diese altiplanischen lagunen aus. als ob jede welle, jeder laengenzentimeter des ufers, jeder einzelne stein und jedes graesschen so abgegrenzt in dieses ganze reingemalt wurden. die kitschigste ruhe, die ich je gesehen. magisch! die zeit steht still! die ueppigsten naturtoene, die ich zuvor noch niergends so gesehen habe. nein, auch nicht in salta. oben am himmel drehen die flamingos ihre runden und unten auf der erde rennen die vicuñas (nicht domestizierte lamas) grazioes in ihren eigenen staubwolken vor sich her.


eine aufnahme, von der ich nicht genug bekommen kann. vicuñas in freier wildbahn.




das war zu viel des guten, irgendwie. ich musste mich nach so viel eindruecken zwei tage lang erholen. hab die genutzt um meine mittlerweile ueber 3500 fotos zu ordnen und ins netz zu stellen, bevor ich nach bolivien gehe. denn auf bolivien stelle ich mich gleich ein wie auf rio de janeiro. mindestens einmal ausgeraubt zu werden, damit soll man schon rechnen.

am vierten tag das highlight. das herumdoesen und taeglich den hunden und katzen zuschauen, wie sie sich um punkt zwoelf auf die strasse schmeissen und ihren mittagsschalf abhalten, kann einen schon sehr muede machen. mir wurde langweilig, ich wollte wieder was erleben.
die beste tour sei die teuerste. soll ich's glauben? oder ist's wieder mal ein billiger verkaufstrick, der mich teuer zu stehen kommt? ich hatte es riskiert und die agentur fuer einmal recht gehabt.

salar de taca. kaum ein backpacker kriegt es zu sehen- einerseits aus budgetgruenden, andererseits weil jeder direkt den famosen salar de uyuni in bolivien anpeilt.
es ist wieder einmal frueher morgen, wir brechen auf. kurze zeit spaeter: alles schneebedeckt, der himmel stahlblau, die lamas posieren mit den fohlen fuer uns neben der autostrasse, von irgendwo her badeenten-gelbe felder zu sehen, wir bauen schneemaenner und essen toblerone zum fruehstueck.

es folgte ein tag in einer anderen welt. bizarre felsformationen, lagunen, in denen sich der himmel, die berge, ueberhaupt die ganze flora und fauna spiegelte, gruen-violett-gelbe oasen, flamengo und vicuña- wettrennen im jeep...















und hier moechte ich schon aufhoeren mit dem versuch die atacama zu beschreiben, denn mein wortschatz ist beaechtlich arm an superlativen, die in einer annaehernden art und weise mein empfinden und die scheonheit der landschaft wiedergeben koennte. sie koennte nicht karger und lebendiger zugleich sein. da ist es fast schon laecherlich die aussagekraft eines "atemberaubend", "traumhaft", "hinreissend" oder "ueberwaeltigend" zu benutzen. mir bleiben einzig die fotos, die ansatzweise das ausmass dieser naturdimensionen festhalten koennen. aber leider sind auch sie nur statische momentaufnahmen, die die emotionen nicht wiedergeben koennen, wenn man aus einer duene herausfaehrt und das ganze wuestenleben wie eine fata morgana vorueberziehen sieht. ein traum! wer weckt mich? das hier ist das paradies! meine sinne sind betaeubt!

nein, hier war dali auch nicht am werk.










da gibt es dann noch eine letzte sache, die man sich nie und nimmer in der atacama entgehen lassen darf. der ort ist ja schliesslich bekannt dafuer, dass die ESA von hier aus nach neuen galaxien, monden und anderem hocus-pocus ausschau haelt. einer der klarsten himmel der welt. muss ich sehn! ab zum franzosen nur sechs kilometer ausserhalb von san pedro. dieser typ- ein astrologe von beruf und aus leidenschaft- hat sich mit seiner frau sein eigenes universum unter den sternen gebaut. ein haeuschen, ein garten und viel himmel. andere haben in ihrem garten zwerge, er stellt sich ein dutzend teleskope rein. herrlich!!

ich sehe die milchstrasse von blossem auge! in ihrer vollen laenge und breite. sternenklar. im wahrsten sinne des wortes. und als ob das nicht genug waere, beobachten wir durch das teleskop den saturn samt seinen ringen. (oder ist es doch nur ein aufkleber auf der linse..?). ein himmel voller sterne und galaxien von blossem auge sichtbar und ein laserpointer, mit dem uns das paerchen auf jeden beliebigen stern deutet und den auch noch beim namen kennt.
luke skywalker wuerde platzen vor neid! der rosarote strahl scheint die sterne bis zur erde herunter zu holen. absolut faszinierend!
die suedliche erdhalbkugel dreht sich. ich kann alles sehen. oder ist mir schon schwindlig vor lauter staunen?

die atacama wueste. kein fauler zauber. alles reine magie! eine eigene galaxie!

Keine Kommentare: