Samstag, 16. Mai 2009

ich und du mueller's kuh, mueller's esel...


aus dem nichts erstreckt sich dieser see vor mir in einem uebermaechtig wirkendem stahlblau. wow! ich bin hier, der titicaca so erhaben, wie ich ihn mir ertraeumt hatte.
ich schau ihn mir zuerst von der bolivianischen seite aus an. wir steigen ins boot ein, das uns ins dorf copacabana bringen soll. ein paar touristen, bolivianerinnen in prachtvollen trachten herausgeputzt, die schwarzen, dicken, bis zum hintern reichenden haare zu zwei zoepfen gebuendelt, eine alte dame mit einem jungen kaetzchen an ihrer brust und ein paar in festtagslaune schon vor- besoffene aeltere bolivian
ische señores, die sich beim anblick des kaetzchens nicht mehr einkriegen koennen und wie kinder ueber den kleinen tiger herfallen bis einer von ihnen fast aus dem boot faellt... ich habe diese ruhigen menschen noch nie so heiter, ja gar "ausschweifend" erlebt wie auf dieser seeueberquerung. sehr lustige und einmalige momente.

getruebter glanz, weil durch ver- schmierte fenster- scheiben auf- genommen: der lago titicaca.




das bolivianische kaff copacabana ist nach dem brasilianischen strandabschnitt benannt und traegt seinen namen voellig zu unrecht. wie erwaehnt, bin ich kein fan dieses rio- inbegriffs, aber ich muss zugeben, dass sich jemand mit dieser namenskopie einen heftigen scherz erlaubt.
copacabana hin oder her, ich bin wegen dem see hier.
der erste eindruck endet sehr ernuechternd. wir erreichen die isla del sol, die sonneninsel, von wo aus die grosse mythologiefigur manco capac der legende nach das inka- reich gruendete. um die insel betreten zu duerfen, muss man "eintritt" zahlen. die insulaner versperren einem hektisch besorgt den weg ab, jeder zahlt, da gibt's kein mogeln. die touristen wissen nicht, wofuer sie zahlen muessen, die einheimischen druecken den ahnungslosen fremden die offenen haende wie gierige polizisten entgegen. es ist wie in einem irrenhaus! die steilen treppen hinter sich, oben angelangt, aus der puste, jucken mich schon die ersten bolivianerinnen mit ihren tischtuechern, ohrringen und anderer handarbeit an. will man ein foto von einem lama schiessen, wird wieder zur kasse gebeten. will man ein foto von einem in tracht gekleideten maedchen und einem lama machen, muss man gewillt sein, das doppelte zu zahlen. eine frau mit einem baby auf dem ruecken und einem alpaca an der leine muss einem das dreifache wert sein, sonst ist das knipsen sehr unerwuenscht. ich werde darum staendig von kindern am arm gezogen, die sich fotografieren lassen wollen. alle inselbewohner haben auch augen am hinterkopf und beobachten argwoehnisch, ob sich da jemand ein unbezahltes foto aus einem versteckten winkel erlauben wuerde. es ist alles kuenstlich, nichts echt, ausser dem inselboden und dem ruhigen wasser im titicaca.


keine richtige uros insel, eher ein modell davon. nur fuer die schau- lustigen touris...



die uros inseln (schwimmende, von hand gearbeitete inseln, die einige kommunen bewohnen. bitte googlen, um zu verstehen, was ich meine..) sind nicht minder eine enttaeuschung. sehr kitschig, sehr unauthentisch, nur fuer fotokameras gemacht. wer das stroh betreten will, muss zuerst wieder zahlen. von inka- zauber weit und breit keine spur- das ganze erinnert an einen betriebsamen UBS- schalter in der heimat, wo man nichts zu sehen kriegt, aber fuer alles zahlen muss. der ganze titicaca hinterlaesst einen sehr bitteren nachgeschmack.

von kopf bis fuss verheiratet. oder eben nicht. nichts ist zufall- weder die farben noch die laenge oder die naehte an den trachten. da weiss mann auf den ersten blick woran er ist. uros bewonerinnen auf ihrer "strohinsel".

ich will so rasch wie moeglich nach peru, das hier ist keinen tag laenger mehr wert.
doch zuerst muss ich irgendwo geld abheben. nirgends ein automat zu finden, es ist zum verzweifeln. ich frag nach, wo die naechste bank sei, man empfiehlt mir entweder nach peru oder zurueck nach la paz zu gehen. drei ein halb stunden im bus in richtung norden oder sueden, dort gibt's kohle.
ich brauch nur ein paar laeppische bolivianos um aus diesem ort abzuhauen und hab nicht mal genug mittel um nach la paz zu gehen und mir diese zu besorgen.
letztlich finde ich einen 10 franken schein, den ich in einer der unzaehligen cambios wechsle und bolivianos im gegenwert von weniger als 6 franken kriege. mehr als 40 % verlust. ich nehm's sehr gerne hin, solange ich mir damit ein busticket kaufen kann.
der schweizer franken ist voellig wertlos, WC-papier fuer gutbetuchte bolivianer..

es ist schwierig, mir vorzustellen, dass die peruanische haelfte des titicaca- sees weniger schlimm ist als die bolivianische. ich bleib aber optimistisch und lass das spiel von neuem beginnen. das spiel bleibt das selbe, die regeln werden noch schamloser. ich will's gar nicht naeher erzaehlen, es wird eine show mit den touristen abgezogen, zum grossen nachteil der einheimischen selbst. es ist fast alles fake, kein gast wird je wieder zurueckkommen auf den heiligen see, denn keinem ist so richtig wohl dabei.

zu allem ueberfluss gab's da noch ein paraguayisches paar, dessen weiblicher part sich wie ein freigelassener affe aufgefuehrt hat. kein baby war vor ihren armen genug weit weg um mit ihr fuer ein foto zu laecheln, kein greis schnell genug um ihr davon zu rennen, kein kind kraeftig genug sich aus ihrem schoss zu entreissen, kein blumenstiel dick genug um nicht gepflueckt zu werden um in ihrem haar und dann auf dem foto zu landen. die verrueckte zupfte den ganzen tag an allem herum, was zu schwach zur selbstverteidigung war. und zu guter letzt musste noch die weisse schweizerin als lebendiges souvenir herhalten.

feldarbeit ist frauenarbeit. ueberhaupt scheint es, dass alles was hier mit "arbeit" zu tun hat von frauenhand verrichtet wird. auf der strecke zwischen puno und cusco.

ich verlass puno, bewahre die magischen bilder des titicaca-sees als ich aus la paz kommend zum ersten mal aus dem bus auf ihn blickte, und gehe weiter nach cusco. ich will auf den machu picchu, die luft der ultimativen inka- staette einatmen.

ich sitz im bus mit einer info-broschuere in den haenden. peru- ein land mit 50 bergen ueber 6000 meter hoch. da ist die schweiz vergleichsweise eine flachebene!
im vorbeifahren schaut man den hirtenden kindern auf dem altiplano zu und den frauen, die die waesche an den flussufern waschen. beim anblick der pflugbauern ergreift mich die einschuechternde einfachheit dieses volkes- ein kalter schauer laeuft mir den ruecken runter. hier hat sich nicht seit jahrzehnten, sondern seit jahrhunderten nichts geaendert. der mensch ist die maschine, traktoren oder waschmaschinen wird's hier vermutlich nie geben, das nutzvieh und die muskelkraft muessen es richten. das ist nicht eindruecklich, das ist schon beaengstigend!

cusco liegt auf 3200 metern hoehe. tagsueber ist's heiss, sobald die sonne unter geht wird's sehr kuehl. die spanier haben auch in dieser heiligen stadt gewuetet, aber zum glueck vieles unversehrt gelassen. kirchen, tempel, kloester- alles, was das herz eines suedamerika- reisenden begehrt.
ich bleib zwei wochen hier, nehm mir endlich zeit fuer ein paar privatlektionen in spanisch, esse mit meinen freundinnen aus der carnaval- zeit in rio feinsten cheese cake in einem englischen coffee house, schluerfe an meinem glas chilenischen weins, wir sitzen in einer peruanischen bar, eine rockband spielt- mehr schlecht als recht, aber niemand stoert sich daran. es passt, es gefaellt!
jedenfalls ist's viel angenehmer, als den ganzen tag lang jeden auf der welt existierenden song in panfloeten- version aus jedem radio sich anhoeren zu muessen. britney spears, madonna, hotel california- alles durch panfloete rausgepresst. gnadenlos geschmacklos! egal, das passt auch- irgendwie! eine ueber 50 jaehrige, die in leggings huepfen kann, darf zurecht auch durch eine panfloete gestreckt werden.


auf cusco's zentrum hinunterblickend.















cusco ist ruhig, angenehm, relaxend, aber nicht wahnsinnig aufregend. genau so wie die landschaft, in der es liegt. das valle sagrado ist zwar sehr gruen und fruchtbar (deshalb auch das heilige tal. ja, hier ist alles irgendwie heilig...), aber etwas langweilig, wenn man es mit phantastischen dorfnamen wie ollantaytamno zum beispiel vergleicht, in dem diese ortschaften liegen.


der markt in pisaq. herrlich stickig. und wie gesagt: das arbeiten wird der frau ueber- lassen.



den alten berg, den machu picchu, spar ich mir fuer das ende des cusco- aufenthalts auf. eine lange reise um bis nach aguas calientes (das dorf, das am fusse des alten liegt) zu kommen. ich teile mir das hotelzimmer mit zwei schweizerinnen. wir sind ploetzlich zu viert als nach zehn minuten ein hase unter einem bett hervorgekrochen kommt. was fuer ein empfang! wir erfahren spaeter, dass die anderen weniger glueck hatten und von spinnen oder ungeheuren "monsterfliegen" in den zimmern ueberrascht wurden.

muede und kaputt brechen wir mit taschenlampen ausgestattet um 4 uhr in der frueh auf um den sonnenaufgang nicht zu verpassen.
die ersten bereuen nach wenigen minuten schon, dass sie nicht den shuttle-bus genommen haben. es wird immer schlimmer. aber wir wiegen uns in selbstzufriedenheit die steilen treppen hoch, denken, wir seien schnell unterwegs, bis wir auf ein mal- und dann ununterbrochen- minuetlich von "professionellen" wanderern ueberholt werden. elend! hilfe! dabei hatte ich mich noch im hotel erkundigt, wie viele und vor allem wie hoch diese stufen waeren. "ganz normale, durchschnittlche stufen", sagte die receptionistin. wir jammern diese durchschnittliche treppe bis zum machu picchu rauf, zuerst das knie mit beiden haenden hochheben, dann kann die huerde irgendwie genommen werden. diese "peruvian sized"- stufen sind im schnitt 40 cm hoch!!
die menschen hier haben ein sehr unnatuerliches verhaeltnis zu den hoehen. ihre tueren bauen sie so tief wie die treppen hoch. ihre koerpergroesse erklaert die tiefen tueren, aber soll doch mal eine 1.30 m kleine indigena diesen berg hochklettern..!
warum tun wir uns solche qualen freiwillig an, fragen wir uns, waehrend uns die anderen gruppen wie flugzeuge ueberholen. vielleicht weil das alles halb so schlimm und doppelt so schoen erscheint, wenn man erst mal oben angekommen ist..!?
1000 meter hoehenunterschied in 75 minuten. oder anders gesagt, ca. 12 peruanische stufen...

die sonne steckt irgendwo tief in den wolken- nichts zu sehen ausser nebel. die ersten busse parken, die faulen steigen ausgeschlafen aus und grinsen uns schweissgebadete bemitleidenswert (aber sicher auch neidisch!) an.

die ruinen- staette oeffnet ihre pforten, alle stroemen rein. es laeuft aber viel zivilisierter und ruhiger als auf dem titicaca- see ab. der nebel verduennt sich, die sonne erhellt eine ruinenecke, die lamas weiden... die ruhe und die sonnenmacht herrschen- das ist doch pure inka- tragik! meine begeisterung haelt sich aber in grenzen. ich muss mir eingestehen, dass ich nicht viel fuer ruinen uebrig habe. der machu picchu bewegt mich nicht so sehr, es mag vielleicht daran liegen, dass er so "statisch" ist. ohne leben, ohne emotion. nur steine. felsen. ganz anders als die wueste, wo der wind jeden sandkorn in bewegung versetzte.
gelohnt hat sich's auf jeden fall- allein schon der zwei meter hohen stufen willen...


meditative stille. na ja, nicht wirklich... vermutlich kommen heute trotz eingeschraenkter besucherzahlen taeglich mehr menschen rauf als hier dazumal lebten.










mein naechster stop ist arequipa, noch weiter im sueden dieses landes. arequipa ist die "weisse stadt" von peru, kann aber nie und nimmer mit sucre in bolivien mithalten. ausser der drei, vier gebaeude an der hauptplaza ist kaum ein anderes weisses haus sichtbar. die stadt ist praktisch sehenswuerdigkeitenlos, aber dennoch faszinierend wenn man um sich schaut. die vulkane misti und chachani (um die 6000 meter hoch) stehen hier nicht vor der haustuer, sondern mitten in der guten stube. das imponiert doch mehr als jedes museum oder kloster und macht das oede erscheinungsbild der stadt selbst wett.

wie auch immer, die stadt ist mir zweitrangig, ich will den cañon de colca sehen. der tiefste cañon der welt sagen die einen, stimmt nicht ganz, sagen die, die es besser wissen wollen. ich sachau mir die fotos an und denk einfach nur: traumhaft! deshalb buche ich drei tage cañon- wandern.

am morgen erreichen wir einen aussichtspunkt, wo man kondore beobachten kann. eindruecklich, die riesigen voegel fliegen gleich ueber unseren koepfen! ich bin in einem unerklaerbar verwirrten zustand, versuche minutenlang aufnahmen zu machen, bis ich merke, dass ich den akku vergessen hatte. was fuer eine schande. ich wackle so den ganzen tag lang auf meinen knien. dieser zustand wird mir dann am letzten tag zum "verhaengnis".


mindestens so tuechtig und anmutig wie die kondore, deren wegen wir hier halten. peruanerinnen mit ihrer handarbeit, die sie an den touristen los zu werden versuchen.









doch zuerst geht's den ganzen nachmittag lang nur abwaerts. die knie tun weh- das ist doch schwachsinn! wir uebernachten in einer huette mit lehmboden und ein paar betten. einfacher geht's nicht. die matratze duenn, die nacht kalt. am zweiten tag geht es rauf und runter, wir enden in einer oase im tal. schon wieder lehmboden, aber dickere matratzen und weniger kalt als in der nacht zuvor. ich bin ziemlich enttaeuscht, denn das wandern war nicht gerade logisch gedacht. wir bewegten uns zwei tage lang im gleichen talabschnitt, sehen immer die gleichen haenge vor uns. keine gruenen, ueppigen talterrassen, wie ich das auf fotos gesehen hatte... und zu allem uebel muessen wir morgen den ganzen berg, den wir zwei tage runtermarschiert sind, wieder hoch wandern. schon wieder ein paar peruanische stufen... aber alles machu picchu hoch zwei... bei diesem gedanken wird mir noch schwindliger als es mir seit drei tagen eh schon war. ich kann die ganze nacht nicht schlafen, wusste nicht, was mir geschieht und muss am naechsten morgen wohl oder uebel ein taxi zum gipfel nehmen. das taxi war ein maulesel. ich hatte es abermals bereut, mich doch noch dazu ueberreden haben zu lassen. erstens, weil mir das gefaelle doch nicht so steil vorkam und ich so hoch zu esel den eindruck hatte das "locker" haette schaffen zu koennen und zweitens, weil meine mula eine unkontrollierbare kuh war.

ich zitterte 90 minuten lang auf diesem suizidgefaehrdeten tier sobald es sich dem rand naeherte und mir mit dem freien fall ins schoene tal drohte. "es passiert schon nichts! das maultier ist viel schlauer und belastbarer als ein esel" darum wird es bevorzugt von den bauern eingesetzt. danke fuer die beruhigenden worte, ich habe nie an der intelligenz eines esels gezweifelt. aber langsam an der eigenen... die vierbeiner ueberholen sich staendig, mein lebensmuedes taxi rammt mir bei jedem zusammenprall einen tiefgruengrauen flecken auf die beine.

der viehtreiber- ein mann kleiner als die beine der mula hoch- traegt sein radio auf der schulter und pfeifft vor sich hin, witzelt mit den kriechenden zweibeinern (die die mulas schnell ueberholt hatten, obwohl wir uns eine stunde spaeter auf den weg gemacht hatten), sammelt unterwegs von anderen wanderern weggeworfene last wie shirts und schuhe auf und peitscht dabei die verwirrten tiere mit mula, mula, mula!- befehlen ans ziel. der kleine mann kann den berg in einer guten stunde hochlaufen, eine sportliche person braucht dafuer im schnitt drei. er rennt, singt, pfeifft, redet und treibt die tiere den berg hinauf- alles gleichzeitig! und das auf einer hoehe, wo die meisten nicht mal mit dem atmen nachkommen.
die mulas toben weiter, ihr herr nicht viel vernuenftiger, mein herz rast! ich bin doch der einzig wahre esel hier! wie konnte ich mich bloss auf so was einlassen?!

und da ziehen wir schon an den gruenen terrassen vorueber...

auf der rueckreise hatten wir schliesslich freie sicht auf die herrlichen cañon de colca- terrassen. das war die wahre postkarten- landschaft. bildhuepsch! das wandern war mehr oder weniger ueberfluessig, das beste kam unverhofft zum schluss. nun ja, hauptsache es kam!
vier wochen peru reichen mir. ich pack sehr kurzfristig entschlossen meine sachen als ich vom "wandern" zurueck komme und versuch noch irgendeinen bus richtung norden zu bekommen. alle wege fuehren ueber lima. dort angekommen, bin ich ploetzlich ratlos, wo ich eigentlich hin will- in dieser unschoenen stadt zwei tage bleiben (auf einmal reizt mich die mahnung von allen backpackern, meine zeit nicht in dieser absolut unattraktiven stadt zu verschwenden. kann es wirklich so schlimm sein..? wenn's so ist, dann muss das doch auch irgendwie spannend sein, denk ich mir... ), in den jungel nach iquitos, an den strand nach trujillo..? keine ahnung! ich steh am schalter und kauf im letzten moment noch ein busticket bis an die ecuadorianische grenze.


kalte, klare stille und peru's 5000- er am horizont. rueckfahrt nach arequipa.




bei der ankunft hab ich knapp 50 stunden busreisen hinter mir. ich bin nicht mehr ich selbst, total uebermuedet, kann nicht mehr die augen offen halten, geschweige denn vernuenftig denken.

ich bin die einzige weisse, die aus dem bus steigt. die bahnhofsfliegen stuerzen sich auf die beute, versperren mir den weg, flattern mir mit ihren flugblaettern um die nase, lassen mich niergends durch. zehn bis 15 typen werben um meine gunst, als waer ich ein geschenk gottes. das ist die hoelle fuer mich! ich kann keinen schritt machen, werde von allen seiten belagert. bis ich den anstand verliere und laut ausrufe. sie hauen schliesslich ab, ich finde meinen rucksack und such den ausgang. da packen zwei gluecklich die chance und ueberreden mich in dieser kurzen stille mit ihnen mit zu kommen. fuenf dollar bis nach cuenca in ecuador inklusive taxifahrt bis zum bahnhof, wo sich die busgesellschft befindet, fuer die sie angeblich arbeiten. klingt gar nicht nach abzocke, im gegenteil!

wir fahren an jenem bahnhof vorbei. keine busse, nur ein abgesperrtes tor. es wird gestreickt an der grenze, weshalb alle busse dort warten muessten. macht sinn?! nein, nicht wirklich... aber kein problem, die bringen mich schnell dorthin. so nett sind sie. (warum frag ich mich bis jetzt noch nicht, warum ein taxi mit zwei fahrern ausgestattet ist...?!). ich zoegere, misstraue, dann zeigen sie mir einen zeitungsartikel ueber die blokaden und die demos. ich glaub ihnen kein wort, hab aber noch weniger nerven mit ihnen zu diskutieren.
dann fangen sie an mich auszufragen, woher ich komme, was ich mache, wieviel mein herumreisen so kostet und erzaehlen mir nebenbei raeuber- und mordgeschichten, die angeblich an diesem grenzuebergang an der tagesordnung stehen.

ich lass mich nicht beeindrucken, sehe, dass sie wohl irgendwas damit beabsichtigen, gib ihnen klar zu verstehen, dass sie sich die falsche herausgepickt haben, der sie angst einjagen wollen. ich troeste die zwei noch mit der bemerkung, dass ich zwei wochen rio hinter mir habe, wo man keinen schritt machen kann, ohne nicht damit zu rechnen, ausgeraubt und bedroht zu werden... auf meine "abgebruehte" antwort kontern sie mit irgendeinem drogenkrieg, der angeblich zwischen kolimbianern und ecuadorianern an der grenze mit haufenweise morden ausgetragen wird, etc... ich zuck hochmutig mit den schultern: jaja, sucht euch ne andere, die so schnell schiss bekommt...

als sie dann endlich mit dem geschwaetz aufhoeren, wird mir in den ruhigen minuten doch noch ploetzlich mulmig. ich bin froh und dem gott dankbar, als wir endlich am ersten grenzposten ankommen. ich sag einem beamten, dass mir meine taxistas nicht so geheuer sind und frag ihn ob er sie kennen wuerde. keine angst, das sind seine amigos! das beruhigt kaum. ich erkenne eine frau, die mit mir im gleichen bus zuvor war und will sie ueber die demos ausfragen. da versperren sie mir eifrig den weg und wollen mich mit der dame nicht reden lassen, bis wir beide laut ausrufen und sie zur seite mahnen. ich erfahre, dass die demos schon lange vorbei sind und dass keine "gefahr" mehr besteht.

ich weiss nicht, was mich dazu getrieben hat, wieder ins taxi einzusteigen. die muedigkeit muss mich voellig unvernuenftig und unzurechnungsfaehig gemacht haben.

wir fahren vor jene gefuerchtete grenzortschaft. autofrei! ich muss laufen. samt dem 25 kilo- rucksack und den restlichen zehn kilo an gapaeck, das ich mit mir schleppe. das kann doch nicht wahr sein!? ich will zu diesem scheiss bus und werde mit sicherheit nicht aus diesem verfluchten taxi aussteigen, bis ich den bus nicht in sichtweite vor mir habe. ich weigere mich auszusteigen- wenn ich diese taxifahrt bis jetzt ueberstanden habe, dann will ich sie auch ganz durchziehen. ausserdem spuere ich meine fuesse kaum und sehe keine zwei meter nach vorn. laufen unmoeglich, klar denken erst recht nicht.

auf ein mal sagen sie mir, dass sie mich doch noch im taxi auf die andere seite bringen koennten, dass dann aber eine "transit- gebuehr" zu zahlen sei. das stehe auch neben der ortstafel, an der wir eben voruebergefahren sind. ist mir egal, fahrt einfach, ich halt das nicht mehr aus!

das taxi ist bei weitem nicht das einzige fahrzeug in diesem wirklich sehr heruntergekommenem, schraegem kaff. einer meiner fahrer steigt alle paar meter mal aus, tut so, als ob er einen "kontrollposten" um den andern schmieren wuerde, um durchs dorf fahren zu duerfen. ploetzlich verlangen sie hektisch geld von mir, um "weiterhin schmieren zu koennen". ich, ueberfordert mit dem gehetze, ruecke alle meine verbliebenen peruanischen soles raus. sie verlangen immer mehr, ich weigere mich vorerst erfolgreich.

ende des traumas. sie parken in einem hof hinter einem strassenmarkt. keine busse. nichts. ausser mich und ihnen. dann taucht ein junge auf, den ich am ersten grenzuebergang schon bemerkt hatte. der bringt mich zum bahnhof, heisst es. ich will nicht dorthin gebracht werden, ich will dorthin gefahren werden. geht nicht, soll ich vergessen! der bringt mich dorthin und fertig ist! ok, dann lasst mich jetzt in ruhe, ich finde den weg selbst! zuerst zahlen! was? ich hab schon mehr als genug gegeben und hab nichts mehr! 100 dollar! ich pack den rucksack auf die schulter und will weg! einer versperrt mir den weg- dann eben 60! nach langem und lautem hin und her gib ich ihnen die kleinste note, die ich finden kann. 20 dollar, "glueck" gehabt! ich sage noch, dieser ganze mist ist doch wie in einem film. dann meint der andere mit sarkastischer stimme, dass es dann anders fuer mich gelaufen waere...
ihr "helfer" zeigt mir, wo sich mein bus befindet und wartet dann geduldig auf sein trinkgeld. auch das noch!
ich kauf das ticket in einer der zig agenturen, gebe meinen rucksack auf und schwitze die restliche tonne wut bei 40 grad unertraeglichster hitze aus.

ich rege mich ueber mich selbst auf! wie konnte ich mich auf so was bloss einlassen?!
nicht genug. ich erfahre, dass ich zuerst an die ecuadorianische grenze gehen und den einreise- stempfel mir holen muss und dann wieder zurueck kommen soll. klingt sehr unlogisch, ist aber wahr! das problem ist aber, dass der bus schon im begriff war abzufahren und ich keine zeit dafuer hatte. ich muss also schon wieder in ein taxi, an die grenze fahren und dort auf den bus warten, der mich aufschnappen wuerde. ich hab keine wahl, schlimmer kann's eh nicht mehr kommen. ich resigniere. mein gepaeck im bus und mir die ungewissheit, ob ich es je wieder sehen wuerde.
alles kam schliesslich gut, der bus hielt tatsaechlich. ich und mein gepaeck gluecklich in richtung cuenca.

rueckblickend kann ich nur von mir ungeahntem glueck reden, dass ich in jenen 60 taxi- minuten mental fuer nichts aufnahmefaehig gewesen bin. denn waere ich bei vollem bewusstesein gewesen, waere ich zu ehrlich mit meinen antworten gewesen, haette mich eingeschuechtert und beaengstigt gezeigt- genau so reagiert, wie sie es sich gewuenscht haetten. so hab ich durch die ganze "konversation" hindurch gelogen- woher ich komme, was ich mache, wer ich bin- hab ihnen von vornherein einen armen schlucker vorgespielt.
warum bin ich dankbar fuer diese luegen? weil ich mittlerweile von einer deutschen erfahren habe, dass ihre freundin durch den genau gleichen taxifahrer- trick, in derselben situation- an derselben grenze... gekidnappt wurde..!

ich bin dankbar, dass der film ein besseres ende fuer mich vorgesehen hatte..

Dienstag, 5. Mai 2009

ueber minibusse und andere authentische erfahrungen


die weiterreise nach bolivien- gekoppelt mit dem, was ich mir bisher ueber dieses land habe erzaehlen lassen, bzw. welche art von vorurteilen darueber gestreut werden- konnte mich nicht unbedingt in ueberwaeltigende vorfreude versetzen. bolivien sei gefaehrlich, gesetzeslos, korrupt, hinke dem rest der welt 70 jahre nach, etc... vielleicht mag das alles bis zu einem bestimmten punkt stimmen, aber zum glueck gibt es in diesem fall auch eine kehrseite.

kaum ist man ueber der chile- nischen grenze, hat man schon saemtlichen asphalt- boden hinter sich gelassen.



die erste ueberraschung gleich am grenzuebergang. das beste "fruehstueck inkl."- fruehstueck, das ich seit wochen hatte. kaese, schinken, butter, konfi und brot. alles frisch (das ist eben das, was nicht immer "inkl." ist)! ich schlug mir den magen voll. vielleicht war das ja nur eine heimtueckische falle und ein hinterlistiger bolivianischer willkommensgruss? und man wuerde fuer die naechsten drei tage nicht mal aufgetautes weissbrot seviert bekommen. deshalb hatte ich schon am abend zuvor vorgesorgt, bzw. vorgegessen, und am gleichen morgen vor der abfahrt ein erstes dickes fruehstueck eingenommen. ich, so wie alle anderen auch, hatte wirklich angst tagelang mit knurrendem magen herumlaufen zu muessen. solch schwachsinnige sachen hoert man eben von bolivien- reisenden. jeder lief mit einem plastiksack vollgefuellt mit notfall- proviant herum... ja, die angst war gross!
und die moral von der geschicht? zwei magen hat man nicht! ich litt zwei tage und naechte lang an fiesestem sodbrennen...

man muss sich auch mit dem gadanken abfinden, den wahrscheinlich betrunkensten und unfaehigsten chauffeur der welt abzubekommen- so wie man es in einigen reisebuechern lesen kann. aber alles gelogen! wir hatten den nettesten chauffeur, den man sich vorstellen kann. und zum erstaunen aller fragte er gleich nach dem einsteigen, ob jemand einen i-pod dabei haette- er moechte gerne englische musik hoeren. wir waren alle verbluefft darueber, dass man in diesem niemandsland weiss, was ein i-pod ist. ich dachte, hier waere man noch inmitten der walkman- aera...

in einem 4x4 durch die "dali" wueste. aber unmoeglich, diese drama- szenerien koennen nicht durch menschenhand entstanden sein!

leider, leider hat nicht alles so schoen sein sollen. meinem i-pod wurde es schnell zu heiss und staubig, er gab den geist auf. da schwand auch schnell die liebe zu unserem chauffeur. seine sinnesraubende vorliebe fuer bolivianische musik konnte uns nicht zusammenschweissen- im gegenteil. es waren qualvolle tage von acht uhr morgens bis sechs uhr abends immer mit den sechs gleichen liedern aus den bolivianischen supercharts. ein und das selbe lied 30 mal taeglich. und spaetestens nach dem zweiten abspielen fragt man sich, ob er immer das erste laufen laesst oder ob es tatsaechlich mehrere verschiedene aber doch gleiche sind...
und spaetestens am zweiten morgen wuenscht man sich einen...
...walkman!


sonnen- baden? nicht hier! der see- spiegel liegt auf ein paar tausend m.ue.m und der strand ist aus salz.



das war aber die einzige herausforderung der unangenehmen art, auf die wir nicht gefasst waren. ungeachtet dessen war mein ertser eindruck von bolivien sehr positiv.
das essen, die unterkunft, die freundlichkeit und die gastfreundschaft der menschen, der i-pod- anschluss im jeep, und nicht zuletzt die natur.
es ist wueste. schon wieder. und immer noch. alles erinnert an meine atacama. lagunen, geysire, berge, vulkane, felsen und flamingos.


zwischen- stopp vor einer lagune.









wir sehen hier viel mehr lagunen als in der chilenischen wueste und die bolivianischen geysire tragen den namen auch zurecht (was fuer ein gestank!), die vulkane strahlen im gleichen violett, das pink der flamingos ist aenlich wie das ihrer artgenossen auf der anderen seite der grenze.

die herren der lagunen: flamingos.

und doch... ist es vielleicht das wolkenkroenchen auf der vulkanspitze, das ich auf dem ollague nicht sehen kann? liegt es an den grazioesen vicuñas, die man niergends grasend beobachten kann? wo sind die gezeichneten watte- wolken im bolivianischen himmel? etwas fehlt mir hier! etwas kleines, aber uebernatuerliches, das die atacama- wueste so einmalig machte.
dort empfand ich alles viel ueppiger und lebendiger. und das alles zudem noch auf einer konzentrierteren landflaeche.
soll nicht heissen, dass die suedbolivianische wueste kein erlebnis wert ist. im gegenteil!

"you wanna see reflection? i'll show you some reflection!" unser reise- fuehrer zu mir, als ich ein paar minuten zuvor mit meiner kamera den spiegelnden himmel in einer pfuetze einfangen wollte.

es ist der dritte und letzte tag. ich guck aus dem fenster und seh endlich den salar de uyuni.
die letzte nacht verbrachten wir in einem hotel aus salz. aus was denn sonst?! die waende, tische, hocker, betten, sogar der fernseher- alles aus dem salz gemeisselt.
das salz fehlte leider ausgerechnet in der suppe und im restlichen z'nacht. ich war nah dran, den stuhl auf dem ich sass, abzukruemeln. oder aus dem boden eine handvoll salz zu hoehlen...
wir verlassen das hotel. es steht noch- ich hab's nicht aufgegessen. es folgt ein halber tag "salz". vor, hinter, rechts und links von mir. alles weiss. es blendet stundenlang.
der grosse sieger des tages ist zweifelsohne eine insel inmitten des salars. nein, nicht aus salz. hauptsaechlich aus kakteen- riesigen! alles gruen. ich haette nie gedacht, dass so viele stacheln so faszinierend sein koennten. (wenn's aber einen ort auf der welt gibt, wo man nicht unbedingt stolpern sollte, dann ist es wahrscheinlich dieser).


ein weisses meer. inmitten des salars erstreckt sich die isla del incahuasi. die kleinen, schwarzen flecken auf dem weissen grund sind uebrigens menschen.










am nachmittag kommen wir in der stadt uyuni an. ende der reise. doch zuerst ein besuch im lokomotiven-museum. gibt's spannenderes im leben? ja! der jeep haelt neben ein paar gleisen mit lokomotiven drauf. ein stillgelegter hafen mit hunderten von tonnen von rost. wozu alles muehevoll und kostspielig restaurieren?! das ist ein freiluftmuseum à la boliviana!
der wind peitscht im museum. ich pfeiff auf die sammelstuecke und verzieh mich in den jeep.
die schnelle weiterreise aus uyuni war wie eine flucht. eine wueste wuestenstadt, nicht mehr, nicht weniger. wir nehmen zu fuenft einen super-lujo (super-luxus) nachtbus nach potosi und reisen weiter mit der frage im magen wie wohl ein nicht super-lujo bus aussehen mag...

die waben- struktur des salars.











es ist zwei uhr morgens, ich liege in meinem etagenbett in potosi und kann einfach nicht einschlafen. ich denke daran, wie dankbar ich sein muesste, bis jetzt alles ohne irgendwelche krankheiten ueberstanden zu haben. im gleichen augenblick juckts am ruecken. ich kratz und denk mir nichts dabei...
potosi ist eine uralte stadt (kann man nicht von vielen staedten in suedamerika sagen. denn wenn sie nicht von den spaniern zerstoert und ausgepluendert worden sind, sind sie frueher oder spaeter mal von einem erdbeben heimgesucht und dem boden gleich gemacht worden) mit hunderten von wunderschoenen kirchen und kathedralen. an jeder ecke, in jedem noch so winzigem gaesschen. ein unesco- weltkulturerbe und weil auf 4100 m. ü. M. auch die hoechstgelegenste stadt (ihrer groessenordnung) der welt. definitiv keine moderne schoenheit, eher eine alte, aber charmante grossmutter. die penible sauberkeit der strassen und die auseinanderbroeckelnden pastellfarbigen haeuser beeindrucken auf ihre eigene art mindestens so sehr wie die imposanten gotteshaeuser.
und schenkt man der bolivianischen touristeninformation glauben, war es einst (im 16. jahrhundert) die reichste stadt der welt. dies verdankte sie damals dem cerro rico, dem "reichen huegel": silberminen, in denen immer noch geschoepft wird- hauptsaechlich nach dem taeglichen brot aber. das edelmetall liegt dort seit jahrhunderten nicht mehr verborgen, aber alle hoffnungen, es vielleicht doch noch eines tages wieder zu finden. potosi kann niemand verlassen, ohne diesen beruehmten ort nicht von innen gesehen zu haben. und niemand kommt dort rein, ohne ein paar "geschenke" fuer die mineros im rucksack zu haben. wir halten vor einem laedeli und kaufen das, wozu wir eingeladen, konkret gesagt, gezwungen werden: filterlose zigaretten, snacks, erfrischungsgetraenke, coca- blaetter, dynamit in der plastiktuete und alkohol. 96- prozentigen! die arbeit muss psychisch und vor allem physisch ein horror sein, aber mit 96% betaeubt man wahrscheinlich auch die letzte lebendige faser des koerpers. unser tour- guide reicht uns das gift zum probieren. ich lass mir diese "einmalige" chance nicht entgehen...
wir buckeln rein in die mine- die niedrigen gaenge sind fuer grossgewachsene gringos eine permanente kopfschlag-gefahr- und begegnen dem ersten kumpel. wie alt mag er sein? 18, 28, 38? der arbeiter ist sich selbst mehr ein werkzeug als ein wesen mit menschlichen zuegen. die augen sind da, aber kein blick in ihnen. sein ganzer koerper perlt sich im schweiss. wir werden unser erstes geschenk los, eine flasche cola. die getraenke und die coca- blaetter sind die mit abstand willkommendsten geschenke, die zigis lehnen die meisten ab, weil ihnen das bisschen lungenkraft gerade mal zum atmen reicht. mit 50 ist kaum einer noch arbeitsfaehig, mit 55 sind die meisten schon tot oder invaliden. und das alles fuer 30 bolivianos am tag. keine fuenf franken.wer noch haerter schuften kann und will der kriegt auch ein bisschen mehr. "leichtverdientes geld" sagt unser minenfuehrer (der selbst mit 16 in diese mine um zu arbeiten gekommen war). "viele minderjaehrige" erzaehlt er "gehen ihren vaetern in den ferien aushelfen und brechen darauf die schule ab, sobald sie das schnelle geld in den mienen schnuppern."bald will er selbst auch wieder zurueck zu seinen kumpels, obwohl er als mienenfuehrer einen viel angenehmeren und besser bezahlten job hat. dieses mienenleben hat man eben im blut, es ist kein beruf, es ist eine berufung. allen umstaenden zum trotz. die miene ist fuer die kumpels das synonym fuer freiheit- nur maenner, keine frauen, keine familie, keine fremde gesetze, kein gott. in den felsen haengen papier-girlanden. am tag zuvor haben sie hier karneval gefeiert, mitten in der miene. es ist auch ihre partystube... ein erlebnis der anderen art. eindruecklich und beeindruckend zugleich.

spielende kinder und der cerro rico im hintergrund. in manchen ecken kann es quirlig werden, aber es bleibt immer friedlich auf den sauberen strassen von potosí.










wir buckeln den gleichen weg wieder zurueck und wollen nicht in den bus einsteigen bevor wir nicht das ultimative ereignis sehen: eine dynamitsprengung. gehoert einfach dazu. nur bloed, wenn man sich nicht vorher darum gekuemmert hat... es bleibt uns nichts anderes uebrig, als uns eine geschenkpackung wieder zurueck zu kaufen. wir erdealen uns einen guten preis und lassen das pulver in die luft gehen. wie kindisch! aber vielleicht genau so einmalig wie 96- prozentigen alkohol trinken. darum erlaubt und halb so peinlich.
ich geh zurueck ins hostel, dusche den schweiss und staub von der haut und aus den haaren weg. es ist kurz nach mittag, ich hab noch nichts gegessen, geh in ein restaurant und fruehstuecke fuer 70 bolivianos. das sind zwei tagesloehne im "cerro rico" zwei kilometer von hier entfernt... gibt's ein mass fuer absourditaet? fuer gerechtigkeit? wie definiert man den begriff "normal"?

buch- haltung auf dem buerger- steig in potosí...








es geht rund 1300 meter in die tiefe. nach sucre, in die hauptstadt von bolivien. nein, la paz ist nicht die hauptstadt!
ich hatte keine ahnung, was mich dort erwarten wuerde, ich weiss auch nicht, was mich dorthin getrieben hat. wahrscheinlich war es als ein zwischenstopp geplant gewesen, so wie san pedro in chile. und so wie dort blieb ich auch hier eine volle woche lang. die stadt ist ein juwel- ein weissgestrichener. man glaubt seinen augen nicht- es ist alles weiss, das ganze zentrum. schon wieder ein unesco- weltkulturerbe, sauber wie die schweiz, viele parkanlagen, kirchen natuerlich, etc. eine studentenstadt. ich sehe den ganzen tag kinder in schuluniformen auf den strassen herumrennen und hoere staendig ein glockenlaeuten aus den schulinnenhoefen. in anderen staedten ist die luft voll von abgasen, hier hat man das gefuehl tonnen von edukation in derselben riechen zu koennen. ich lauf herum und seh einen tennisplatz mitten in einem park, mitten in der stadt. ich seh einen richtigen supermarkt (man findet tausende tante emma laeden hier, aber sehr selten supermaerkte). ich sehe jungs in fussballtrikots (gefaelschten natuerlich) von europaeischen clubs herumstolzieren, ich beobachte, wie grossgewachsene bolivianerinnen in hosenanzuegen spazieren, auf baustellen arbeiten, oder im jeep durch die stadt fahren.

pflicht fuer alle: mindestens ein mal im jahr muss jeder sein haus weiss streichen. damit der glanz nicht verblasst.













bin ich denn wirklich in bolivien? ja, es ist alles anders als ich es je gedacht haette. und nebenbei gesagt ist es seit buenos aires die erste groessere stadt, in der ich mich richtig wohl fuehle. liegt sicher auch daran, dass ich hier wieder einen lieblingsplatz gefunden habe, wo ich ein richtiges birchermuesli und echten kaffee fruehstuecken kann. ich sitze taeglich stundenlang im cafe, schluerfe an meinen unzaehligen doppios, esse spiegeleier mit schinken... aus den boxen schreien die rolling stones. ich bin im herzen von nowhere, mitten im niemansland. ich fuehl mich wie zu hause.

sucre ist abseits des zentrums etwas modester, aber nicht minder beschaulich.














das einzige, das mich ernsthaft beschaeftigt, ist der ausschlag, den ich ueber eine woche lang zu ignorieren versucht habe. es scheint ein willkommenes business und ein lustiger zeitvertreib hier zu sein, den gringos alles moegliche zu verkaufen, nur nicht das richtige. ich geh in jede apotheke rein, die ich sehe und jedesmal verziehen die angestellten (mit sicherheit keine ausgebildeten apotheker! sie koennen sich nicht mal verstellen, und so tun als ob sie welche waeren! ) schockiert und bemitleidenswert ihr gesicht, wenn ich ihnen die roten punkte zeige. und dann fragen sie mich, was das sei. wenn die es nicht wissen, wie soll ich dann eine ahnung haben!? ploetzlich kommen sie aber mit allen moeglichen mitteln und wollen mir alles verkaufen, was in den vitrinen und im schaufenster steht.

frisch gepresster orangensaft an der plaza 25 de mayo. strassenver- kaeufer arbeiten an jeder ecke, unter jedem baum, neben jeder verkehrsampel.

die bettlaeuse haben mich jedenfalls zwei volle wochen lang gejuckt und gestresst. alle pillen aus den apotheken haben nichts geholfen- das waschen saemtlicher kleidungsstuecke hingegen schon... man lernt nie aus!

was machen diese steine in und vor einem gotteshaus? bolivien hat wahrscheinlich tausende kirchen. von der regierung wird katholizismus vorgeheuchelt, in tat und wahrheit praktizieren die bolivianer nur ihre eigenen religionen.







ein willkommenes erlebnis war der besuch eines typischen sonntagsmarkts in der "naehe" von sucre. das heisst, ca. 1.5 stunden von la capital entfernt. der minibus selbst schon ein erlebnis wert. und hier ist ein minibus auch wirklich "mini". ich hatte zwei stunden lang muskelkater von der fahrt. muss ein heidenspass fuer die indios gewesen sein, uns beim gelenke-quetschen zugeschaut zu haben. ist man nicht groesser als 1.40 ist "mini" ok, danach wird's im bus sehr, sehr eng.

beim schlendern durch den markt sieht man alles moegliche- es ist sehr geschaeftig, bunt, laut, stickig, bizarr. man sieht und riecht lebendiges, totes, halbtotes... alles! man will uns einen esel fuer 800 bolivianos verkaufen. 130 franken- ein schnaeppchen! nehmen wir glatt mit und verzichten auf den minibus!
mein englischer kompane, der nebenbei gesagt schon seit tagen staerkste magenschmerzen hat, will unbedingt dort essen, wo man keinen einzigen touristen erblicken kann. das frisch geschlachtete liegt auf den tischen in einer grossen halle ausgebreitet, die fliegen schwirren umher, die mageren katzen schlaengeln gierig um die tische... ein eindeutiges no gracias meinerseits. mein amigo will aber authentisches erleben. nichts einfacher als das... mit einem bissen ist man schon dabei! mir reicht mein authentischer ausschlag vollkommen! der arme kerl lag drei tage lang im bett, die toilette sein engster vertrauter...

verrueckt! ich kam nicht aus dem staunen raus! eine indigena am markt von tarabuco- mit einem handy am ohr.













sieben tage sucre waren aber mehr als genug. ich sitze in einem nachtbus nach la paz. es ist schon irritierend, wie luxurioes man in bolivien reisen kann, wenn man drei, vier franken mehr fuer eine acht-stuendige fahrt zahlt. ich hatte mich auf klaustrophobische minibus- zustaende eingestellt und lag schliesslich in einem sitz, wo ich drei mal haette reinpassen koennen.

bei der ankunft ist es nicht mal sechs uhr morgens, aber am busterminal schon sehr laut, verwirrend, chaotisch. hier gibt es keine rush hour nachmittags um fuenf, hier ist der ganze tag ein nie endender 24-stuendiger rush. zwei stunden spaeter stehe ich mit meiner australischen freundin mitten in der stadt. ein gehetze, wo man hinblickt. das einzige, was seine ordnung hat, ist das chaos selbst.
die strassenverkaeufer und die buschauffeure bruellen in die luft, die taxifahrer fluchen herum, die verkehrspolizisten trillern mit den pfeifen, alles, was zwei oder mehr raeder hat, hupt ununterbrochen, die bremsen quitschen aus allen richtungen, die bettler jammern, die fruehstueckssuppe und die maiskolben brodeln in den toepfen, die bauarbeiter haemmern, die jungen bolivianos pfeiffen den gringas hinterher, die losverkaeufer preisen pausenlos auf einem holzbrett das glueck an, die kirchenglocken laeuten. die theaterbuehne vibriert in der brennenden sonne und im dicksten smog. rette sich, wer kann!
wir fuehlen uns ziemlich unwohl, sind orientierungslos, verloren. nach dem friedlichen sucre ist das ein schock.

la paz liegt nach allen himmelsrichtungen hin verstreut in einem kessel zwischen 3000 und 4000 meter ueber meer. die reichen unten im warmen downtown, die armen, d.h. die indios, oben in den kalten haengen. entlang der haupt- avenida ist durchaus ein metropolitaner hauch zu spueren, wenn auch nur ein sehr kleiner. die stadt ist alles andere als schoen, aber wie potosi und sucre schoen sauber, und die wichtigsten sehenswuerdigkeiten lassen sich an einer hand abzaehlen. die stadtrundfahrt war die amuesanteste, die ich je erlebt habe. ein zwei- stuendiger beweis dafuer, wie wenig es ueber la paz zu sagen gibt. es faengt an mit: zu ihrer linken sehen sie die universitaet x. das gebaeude ist ueber 100 jahre alt und verfuegt ueber einen quadratischen grundriss. darin befinden sich neun vorlesungssaele... etc...

ein rauf und runter auf la paz' strassen. im hintergrund die huegelsiedlungen der indigenos.













das ist kein scherz, das ist eine stadtrundfahrt durch la paz. und haette es doch noch was aufregendes zu sehen gegeben, haette man es vielleicht gar nicht sehen koennen. das oberdeck des sightseeing-buses ist mehr eine strangulierfalle, denn eine panorama- plattform. alle paar meter den kopf einziehen, sonst bleibt er im haengenden kabelwirrwar zwischen den strommasten stecken.die finale fahrt auf einen huegel lohnt sich wenigstens - man hat eine eindrueckliche aussicht ueber die stadt hier oben. ein gewlatiger kessel mit unzaehligen haeusern drin.
der bekannste pilgerort der touristen ist nich etwa eine kathedrale oder ein museum, es ist ein hexenmarkt. ich kann mir keine andere stadt auf der welt vorstellen, wo so ein markt passender angesiedelt waere als in la paz. es gibt dieser absurden stadt den perfekten schliff. zugegeben- ich hatte mir den hexenmarkt viel mysterioeser und unheimlicher vorgestellt. da sitzen aber einfach alte frauen vor ihren ladentueren und warten darauf, dass man ihnen opfergabe- fertigpackungen abkauft. ich haette noch so gerne wahrsagerinnen, riesige, gruen dampfende hexen-kochtoepfe und schwarze katzen gesehen...
das auffallendste waren die getrockneten lamafoeten, die an den standdaechern hingen. sie gelten als besondere opfer an die goetter, geister oder an was auch immer die menschen hier glauben. allein schon die tatsache, dass in der ganzen altstadt alles um neun uhr geschlossen ist, laesst keine hexenstimmung aufkommen.

der hexenmarkt. wie wichtig ist denn die bitte und viele geister sollen gerufen werden? von farbigen seifen uber raeucherstaebchen bis hin zu getroeckneten lamafoeten. alles, was die goetter sich opfern lassen.

ich habe drei tage gebraucht, um mich mit la paz zu versoehnen. sie bleibt zwar ziemlich unschoen, aber speziell in ihrer eigenen art und weise. an meinem letzten tag nehme ich ein taxi in den neuen stadtteil. ich steig ein und frag mich, warum mich der fahrer ueberhaupr rein laesst, wenn da schon zwei andere drin hocken. die steigen bald aus. ich bin allein in meinem taxi. einen augenblick spaeter muss ich links rueberrutschen, da wollen schon wieder zwei andere mitfahren. und so weiter und so fort. mein taxi ist dein taxi, ist sein taxi, ist unser aller taxi... oder so aenlich!
eine knappe halbe stunde spaeter bin ich da. keine 90 rappen hat der ganze spass gekostet. der neue stadtteil ist in die wueste hinaus gebaut, sehr haesslich, aber eben neu und darum in den bolivianischen augen "modern". ungemein haesslich, ich sag's euch!

blick aus dem bus auf das chaotische treiben von la paz. man beachte das stran- guliernetz oben...




zu guter letzt noch ein wort ueber die death road, die "gefaehrlichste strasse der welt": ich war bereit den inneren schweinehund in mir zu finden und ihn zu bezwingen. ich wollte an meine physische grenze kommen, den ganzen tag bis zum umfallen radeln und dabei dem abgrund in die augen schauen... waer ich in einem bus gesessen und waer die strecke mit einem furchtlosen fahrer runtergedonnert, haett ich sicher die ganze zeit gebetet. der "strassen"rand
broeckelte schon beim hinsehen. mit dem bike war aber alles ein downhill- spass ohne grossen adrenalin- schub. das i survived the death road - t-shirt werde ich aber auf jeden fall behalten, es macht ungeheuren eindruck...

was kann ich denn noch ueber bolivien sagen?! ich hoffe, dass ich auf meinem reisen noch mehr solchen "eckigen" laendern begegnen werde, in die ich mich verlieben werde.

es stehen aber noch zwei tage bolivien vor mir. ich mach mich auf den weg zum titicaca- see, um hoffentlich dort die mystik zu finden, die ich am hexenmarkt nicht erlebt habe.