Donnerstag, 19. März 2009

rio de janeiro: suesses und saures

rio de janeiro. an salvador fuehrte schon wieder kein weg vorbei. aber nach meinem letzten flughafen- schreck hatte ich keine lust nochmals mir das leben schwierig zu machen. ich wollte einfach gleich direkt vom schiffshafen zum flughafen. nur keine umwege. kein hostel. nichts. eine weitere nacht ohne richtig zu schlafen. war mir egal. der flug war sehr frueh, ich uebernachtete am terminal- da fuehlte ich mich in sicherheit. die stadt hat mich von anfang an eingeschuechtert und bei der ankunft am hafen war es auch diesmal nicht anderes gewesen. schon wieder dunkel! schon wieder ein unbehagen in mir! ich hatte das glueck, drei spanier kennengelernt zu haben, mit denen ich ein taxi teilen konnte. keine ahnung, wie ich sonst von a nach b gekommen waere. denn wie erwaehnt- als frau alleine ein taxi zu nehmen war mir beim letzten mal schon ungeheuer.

so hatte ich dann eine nacht lang zeit mich mit der frage zu quaelen, wie ich in rio bloss eine unterkunft finden soll. ich wurde auch diesmal von allen seiten gewarnt, dass es fast unmoeglich sein wuerde. ich hatte aber keine wahl, denn meine mutter und cousine kommen mich in vier tagen besuchen. was fuer ein stress!
die preise fuer eine unterkunft sind eine frechheit (man zahlt in der karnevalzeit das sechsfache fuer ein hostelbett. fuer`s gleiche geld kann man in der zeit vor oder nach dem karneval locker in ein schoenes sterne-hotel einchecken), aber da gaht es allen gleich. in meiner verzweiflung war ich bereit, fast jeden preis zu zahlen.
nach zwei tagen hatte die suche ein ende und ich meinen frieden. was fuer eine erleichterung! der spass konnte beginnen!


prost, denn davon gibt's sicher keine kopfschmerzen: wasser.














rio ist carnaval und carnaval ist totaler ausnahmezustand! danach ist alles anders. danach ist der "fluss des januars" einfach nur zuckerhut, christusstatue und ipanema.
nun, carnaval ist, wenn man irgendwann nach einer durchzechten nacht aufwacht und nicht weiss, woher man verbrennungen am bein, zerkratzte haende und allerlei schuerfungen hat und auch tage danach den schwarzen dreck von den fuessen nicht wegbringt... carnaval ist... in jeder hinsicht einmalig!

natuerlich faengt alles mit dem ersten caipirinha (uebrigens so scheusslich suess wie der kaffee) an und hoert beim letzten bloco um sechs uhr morgens auf. alles dazwischen muss man mindestens ein mal im leben erlebt haben.


"bio- muell". gefunden in santa teresa.















ueberfallen oder nur ausgeraubt (fast schon langweilig im vergleich zum ersteren) werden inklusive. denn jeder rechnet im voraus schon damit, dass er um das nicht herum kommen wird. es ist einerseits bittere tatsache, andererseits laesst sich somit von anfang an die grosse
"ich-mag-rio-nicht-weil-man-mich-dort-ueberfallen-hat"-enttaeuschung vermeiden.
ich musste als erste daran glauben. in der linken kleidtasche das geld, in der rechten der zimmerschluessel (und an dieser stelle frage ich mich zum ersten mal warum ich den schluessel ueberhaupt die ganze zeit bei mir trug....?!). am fruehen morgen war nur noch die rechte tasche voll. wenigstens die aber. schlimmer als nur ausgeraubt zu werden, waere auch noch vor der tuere schlafen zu muessen gewesen... ich hatte also meine lektion am ersten abend schon gelernt und bin fuer den rest meines rio-aufenthalts verschont geblieben. wobei dies leider nicht immer eine sache der vor- und umsicht ist. die meisten leute, die mit mir im hostel waren, wurden teilweise bei hellichtem tage und an "sichersten" plaetzen mit waffen und messern bedroht. oft sind die taeter neun bis 14- jaehrige jungs, die sich lieber diesem hobby widmen als in die schule zu gehen (jedes kind in rio hat dieses recht- sei es auch nur laecherliche drei stunden taeglich. zu viele sind zu faul dafuer und bleiben lieber den ganzen tag oder das ganze leben lang zu hause. eine schande!).


manche moegen's halt dezenter.















wenn man dann kurz vor dem ausgeraubt werden steht, hat man keine wahl und gibt alles her- seien es auch nur zwei zigaretten oder fuenf pesos. die devise bei den raeubern heisst: ich will das was du hast, egal wie wertlos es sein mag. das leben wollen sie dir nicht nehmen (jedenfalls nicht, wenn man sich nicht ganz dumm anstellt)- mit diesem gedanken und dieser einstellung kann man als tourist viel ruhiger die stadt und den karneval geniessen. ist wahr. glaubt es mir!
die offizielle dauer dieses spektakels ist ca. sechs tage. jeden tag fangen die ersten blocos (umzuege) um acht in der frueh an und enden mit dem letzten bloco am naechsten morgen um sechs. (alles ohne gewaehr- ich kann nur sagen, wie ich das in etwa mitbekommen habe). ein wochentag dauert also 24 stunden, ein carnavaltag deren 22. viel zeit zum feiern, wenig zeit zum schlafen. der energie, leichtigkeit und gleichgueltigkeit der cariocos und cariocas (einwohner von rio) kann in dieser festlaune sowieso keiner widerstehen. sie ist so ansteckend wie die grippe.
die unzaehligen sambaschulen (die groessten unter ihnen mit ueber 40000 schuelern/ mitgliedern!) geben in diesen kurzen stunden alles- und darin steckt nicht weniger als ein jahr vorbereitung.
als fremder befindet man sich irgendwann inmitten eines der blocos, tanzt mit, verliert sich, verliert dann die anderen, findet sich ploetzlich (oder wird gefunden), steht auf einmal in einem anderen bloco und so faengt dann alles wieder von vorne an. ein fest der sinne!


nichts einfacher, als an ein ticket fuer's sambodromo zu kommen.

im sambodromo- ein stadion, das einzig fuer die konkurrierenden und defilierenden sambaschulen gebaut wurde- lassen sich jeden abend bis in die fruehen morgenstunden die besten schulen mit ihren taenzern, exibitionisten und phantasie-waegen im sitzen bestaunen. ein echter gringo, der sich alles ueber zehn agenturn vorbestellen laesst, zahlt fuer den eintritt ein paar hundert franken. einer, der sich das gleiche ticket vor ort bei den feilschern erwirbt einen vergleichsweise laecherlichen bruchteil davon. aber schliesslich sehen beide das gleiche: hunderte von gemachten bruesten, stiefeln mit 15 cm- absaetzen, meterlange federn auf kopf und am arsch und lebenslust, wie sie es vielleicht nur brasilianer ausdruecken koennen. die sambodromo- paraden darf man sich keinesfalls entgehen lassen, auch wenn die eigentliche party auf den strassen stattfindet.
zum carnaval nach rio? was fuer eine frage! wer kommt mit?

wie gesagt, rio de janeiro scheint nach dem karneval eine andere stadt zu sein.
man hoert nicht mehr die trommeln der blocos, auf den strassen geistern weniger prinzessinnen, abfallsaecke, transen, draculas oder steinzeitmenschen herum.

es ist eine millionenstadt, wie viele andere auch. ich muss zugeben, dass ich keine vorstellung von rio hatte, bevor ich hierher gekommen bin. die stadt ueberrascht aber mit ungeahnt guterhaltenen kolonialgebaeuden, unzaehligen farbigen kathedralchen an jeder ecke, dem pitoresken kuenstlerquartier santa teresa, einem see mitten in der stadt und einem flughafen, der in wenigen minuten vom zentrum aus zu fuss erreichbar ist. (wer dachte, dass der london city airport mitten in london liegt, soll sich das hier mal anschauen...). die architektur balanciert harmonisch zwischen modern und alt, der kilometerlange copacabana und ipanema- strand rahmt diese kulisse dunstig ein, die favela- siedlungen strecken sich von den haengen bis in die stadt herunter und jesus schaut vom corcovado aus diesem treiben von oben zu.



die "esca- deria" im stadtteil lapa. diese treppen begeistern nicht nur snoop dog & pharell williams.


mein erster eindruck war definitiv positiv, aber nach zwei wochen konnte mich die stadt irgendwie immer noch nicht in den bann reissen. an santa teresa habe ich die schoenste und lebendigste erinnerung. die straende sind zwar weltbekannt, aber letzten endes doch nur charmelose stadt-straende, auf denen sich touristen und einheimische tummeln und in der gluehenden hitze um die knackigere braeune brutzeln.


das gelbe "bonde". so nostalgisch! so schwindelerregend, wenn es ueber das offene viadukt in lapa rattert und die cariocos lose daran baumeln.

fuer mich- so wie fuer die meisten weissen- ist der koerperkult der brasilianer schwer nachvollziehbar und scheint masslos uebertrieben zu sein, zumahl man an ihrer haut keinen noch so dunklen hellen quadratmillimeter entdecken koennte.
die cariocos/as drehen sich wie sonnenblumen den ganzen tag lang zur sonne entgegen, schwitzen, was die poren hergeben um ja keinen hellschwarzen pigmentflecken zu riskieren. man kann nicht schwarz genug sein! deshalb gilt "one size" fuer die groessen XS bis XXL, egal ob sie 50 oder 150 kilo wiegen. ganz nach dem motto: je weniger rein passt, desto mehr kann gezeigt werden. die brueste- wenn sie von chirurgenhand nicht schon die richtige form, groesse und hoehe verpasst bekommen haben- werden bis zum kinn rauf gepusht, die arschbacken schoen in 30 cm zahnseide verpackt. und verblueffenderweise sieht rein gar nichts daran billig aus!!! es passt irgendwie...



der sand so gluehend heiss, wie es die exhibition- isten selbst gerne zu sein wuenschen.



diese obsession nach dem perfekten koerper zieht sich bis in die nachtstunden, wenn sich die fitnessstudios zu fuellen beginnen und die passanten an den strand- promenaden den joggern, rollschuh- und radfahrern den weg frei machen muessen.


an der schoenen szenerie kann man eigentlich nichts aussetzen!














wer dann als tourist ein mal genug von copacabana und co. hat, der nimmt das corcovado-baehnli, rattert durch den groessten urbanen wald der welt (tijuca forest) und steht nach 20 minuten zu jesu' fuessen. und stellt fest, dass die statue aus der ferne zwar winzig ist, aber viel ueberwaeltigender und ehrfuerchtiger erscheint, als dann, wenn man vor ihr steht und rauf guckt. oder er geht auf den zuckerhut und geniesst eine herrliche aussicht ueber "the city of god", laesst sich vom schrecklich miesgelaunten und unfreundlichen restaurantpersonal, das schon zu viele sch....-touristen gesehen hat, bedienen.


in der ferne und im dunst ueber rio wachend. aufnahme vom zuckerhut aus.




ueberhaupt hatte ich den eindruck, dass gastfreundschaft in buenos aires groesser geschrieben wird als in rio. die mentalitaet der brasilianer scheint mir eine ganz andere als in argentinien zu sein. die leute wirken hier nicht so zuvorkommend oder fremden gegenueber nicht so offen zu sein, wie ich das erwartet haette. vielleicht liegt es an der sprache, ich weiss es nicht. moechte aber mit dieser beobachtung niemandem zu nahe treten...


die statue ist aus der naehe bei weitem nicht so dramatisch wie aus der ferne.





ach ja: hatte man als touri das glueck noch nicht ausgeraubt worden zu sein, so kann man sicher sein, dass man die kohle auch so rasch los sein wird. am schnellsten geht's beim taxifahren. wenn man auf dem huegel wohnt und zu traege um hochzulaufen ist (so wie meine mutter und cousine. ich natuerlich nicht!) kommt man nicht drum rum ein bis drei mal am tag diesen dienst in anspruch zu nehmen. ist an und fuer sich eine guenstige sache- aber erst nachdem man merkt, dass man immer mehr als das doppelte gezahlt hat. hat man dann mal nach zehn tagen begriffen, dass man nie fragen soll, wie teuer die reise etwa sein wuerde (denn dann schalten sie nie den taxometer ein), ist es erstens zu spaet und zweitens zaubern dir die dreisesten unter ihnen immer einen papierfetzen aus dem handschuhfach, auf dem steht, dass huegelfahrten, abendfahrten, wochenendfahrten, fahrten zwischen verschiedenen vierteln, gepaecktransport, etc... einen zuschlag haben. oder sie fahren ueber zehn ecken und strassen- kein umweg ist lang genug, so offensichtlich es fuer den verdutzten fahrgast auch sein mag. das einzig gute daran ist, dass man so teile der stadt sieht, die man sonst nie zu sehen bekommen wuerde. ist ja auch nicht so schlecht (immer positiv denken, bitte!). wenigstens gibt dir jeder beim aussteigen auf den weg mit, dass man sehr vorsichtig mit der tasche sich bewegen soll, dass sie leicht gestohlen werden kann, usw.. danke fuer den tipp! man muss ja schliesslich genug haben, wenn man das naechste mal wieder ein taxi nimmt!


eine der unzaehligen favelas. oft haben diese (im deutschen unpassend als "armenviertel" uebersetzte) stadtteile die schoensten ausblicke auf den rest der stadt.

rio de janeiro. ich hatte genug. wollte weiter. was fuer ein komisches gefuehl... aus buenos aires konnte ich mich auch nach drei wochen nur schweren herzens verabschieden. 14 tage schoenste aussicht (direkt auf die schrecklichste kathedrale der welt- was fuer ein unchristlicher bau, man glaubt seinen augen nicht!!!), carnaval, santa teresa- aber es wollte einfach nicht funken zwischen uns zwei.
rio gibt einem nicht das gefuehl der sicherheit, es ist ein staendiges aufpassen, linksrechtsundnachhinten- schauen, sobald man ueber die eigene tuerschwelle tritt. das alles ist letzten endes keine erholung, es ist ein herausforderndes abenteuer. auf die dauer ist es einfach nur anstrengend immer misstrauisch durch die strassen laufen zu muessen und sich staendig und ueberall bewusst zu sein, dass man im naechsten moment egal in wie "harmloser" weise ueberfallen werden koennte.

wie gesagt, ich brauche rio- und carnaval- erholung. ich will weg. weg vom trubel, weg von den vielen leuten. nur ein paar tage alleine sein.
die iguassu-faelle muessen warten. ich will auf die insel.

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